Podiumsdiskussion - Ärzte oder Computer?

Podiumsdiskussion "Ärzte oder Computer? Wie sieht die Medizin der Zukunft aus?"

Am Donnerstag, dem 22. November 2018, fand sich im Festsaal der HTL Grieskirchen eine prominente Runde aus Experten aus den unterschiedlichsten Fachbereichen (Medizin,  Informatik und Wissenschaft) zu einer Podiumsdiskussion ein, um die spannende Thematik rund um „Ärzte oder Computer? Wie sieht die Medizin der Zukunft aus?“ zu diskutieren.

Die rasch voranschreitende Digitalisierung macht auch vor der Medizin nicht halt und wird diesen Bereich zweifellos auch zukünftig entscheidend beeinflussen. Im Zuge der Diskussion wurden neben den Anwendungsmöglichkeiten auch die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung innerhalb der Medizin thematisiert. Eröffnet wurde die Podiumsdiskussion mit einem Impulsvortrag von Dr. Jama Nateqi, Arzt und Gründer der Softwarefirma Symptoma. Im Anschluss daran waren nicht nur die Experten dazu eingeladen, qualifizierten und professionellen Input zu liefern, es bekam auch das Publikum die Gelegenheit sich an der Diskussionsrunde mit interessanten Fragen zu beteiligen.

Impulsreferat von Dr. Jama Nateqi

Dr. Jamal Nateqi

In seinem Impulsreferat berichtet Dr. Jama Nateqi vor allem von Symptoma, seiner kostenlosen Suchmaschine für Krankheiten, die Diagnostik beschleunigt und verbessert. Insbesondere betont er, dass jährlich 1,5 Mio. Patienten mit lebensbedrohlichen Krankheiten gerettet werden könnten, wenn sie richtig und vor allem rechtzeitig diagnostiziert werden würden. Tatsächlich sind sogar 15% aller Diagnosen in Bezug auf lebensbedrohliche Krankheiten, Fehldiagnosen. Nicht zuletzt diese Statistiken waren der Grund warum vor 11 Jahren „Symptoma“ ins Leben gerufen wurde.

Mittlerweile bewegen sich international pro Monat rund 1 Mio. Menschen, sowohl Ärzte als auch Patienten, auf der Plattform und konsultieren die Suchmaschine bezüglich möglicher Diagnosen durch die Eingabe von spezifischen Symptomen. Damit dies auch funktioniert, trainieren weltweit 45 Ärzte das System und speisen es mit essentiellen Inhalten rund um diverse Krankheitsbilder. Dabei legt Symptoma Wert darauf, bereits vorhandenes, publiziertes Wissen elektronisch aufzubereiten und rasch online zugänglich zu machen.

Laut Dr. Nateqi ist Symptoma die weltweit größte Krankheitsdatenbank, mit mehr als 20.000 Ursachen, Millionen Verknüpfungen zu Symptomen, Risikofaktoren und Statistiken. Die Technologie hinter der Suchmaschine für Krankheiten ist bereits jetzt in der Lage, sämtliche medizinische Publikationen in sechs verschiedenen Sprachen zu analysieren und die relevanten Informationen zu extrahieren. Ziel des Unternehmens ist es, das System in den nächsten Monaten auf 104 Sprachen zu trainieren, damit eine größere Reichweite erzielt werden kann.

Kann eine Suchmaschine wie Symptoma den klassischen Arzt wirklich ersetzen?

In seinem Impulsreferat betont Dr. Nateqi immer wieder, dass es bei Sympthoma keinesfalls darum geht Ärzte, im speziellen Allgemeinmediziner, zu ersetzen, sondern die Möglichkeit zu bieten, durch den Einsatz der bestmöglichen Technologie, die bestmögliche Versorgung von Patienten garantieren zu können. Sekundär ist hierbei wer die Diagnose stellt, sei dies nun der Arzt alleine oder der Arzt unterstützt durch eine Maschine.

Podiumsdiskussion

Im Anschluss an den Impulsvortrag von Dr. Nateqi fand im Zuge der geplanten Podiumsdiskussion die Vorstellung der Expertenrunde statt. Statements der einzelnen Experten bildeten die Basis für den anschließenden Diskurs und läuteten die Fragerunde ein. Seitens opta data, als Klassenpate der HTL, nahm Sylvia Brandstätter, Mitglied der Geschäfsleitung, an der Podiumsdiskussion teil.

Expertenrunde der Podiumsdiskussion
(v.l.n.r.): DI (FH) Thomas Kern – Leiter Center of Excellence für technische Innovation in der Medizin, FH-Prof. DI Dr. Herwig Mayr –Studiengangskoordinator des FH-Masterstudiengangs Biomedizinische Informatik, Hagenberg, Mag.a Sylvia Brandstätter, M.A. – Mitglied der Geschäftsleitung von opta data, Erwin Jobst – Stv. Vertriebsleiter bei CGM Clinical Österreich GmbH, Dr. med. univ. Jama Nateqi – Mitgründer und CEO von Symptoma.com, Dr. David Köpf – Arzt und Absolvent der HTL Grieskirchen

Die Diskussionsrunde

Nach der Vorstellung der Experten wurde die Podiumsdiskussion von der Moderatorin des Abends, Kati Hochhold, eröffnet. Auch Publikumsgäste hatten die Möglichkeit, sich mit ihren Fragen direkt an die Experten zu richten.

„In welchen Bereichen verändert sich die Medizin durch die Digitalisierung? Wo sieht man das größte Verbesserungspotential bei den Patienten?“

Für DI Kern stellt sich viel eher die Frage, in welchen Bereichen sich die Medizin NICHT durch die Digitalisierung verändern wird. Maschinen sollten, seiner Ansicht nach, im Speziellen dort eingesetzt werden, wo ein Computer eine bessere Leistung erbringen kann als ein Mensch. Computer sind bereits jetzt sehr gut in der Lage, abstrakte Bilder zu analysieren. Voraussetzung dafür ist, dass sie im Vorfeld dementsprechend trainiert werden. So kann etwa ein Computer von einem Spezialisten lernen, wie CT- oder MR-Bilder zu befunden sind. Ein weiterer Bereich in der Medizin, der sich durch die Digitalisierung bzw. neue Technologien verändern wird, ist zum Beispiel die Integration von Robotik. Operationsroboter, die in der Lage sind besonders exakte Schnitte zu vollziehen, oder Pflegeroboter sind schon seit geraumer Zeit Realität. Die Nutzung von 3D-Druckern zur Erzeugung von Implantaten aus den verschiedensten Materialien, bis hin zur Reproduktion von menschlichen Geweben zu Forschungszwecken, sind weitere Beispiele für den Einsatz von Technologie im medizinischen Bereich und durchaus schon verbreitet.

„Gibt es Forschungszweige in der Wissenschaft, die sich mit der Akzeptanz von Digitalisierung in der Medizin auf der Patientenseite beschäftigen?“

Laut FH-Prof. Herwig Mayr gibt es dazu an der FH Oberösterreich Sozialstudiengänge, die gemeinsam mit den technischen Fachrichtungen an Projekten in diesem Bereich arbeiten. Der Kompetenzbereich der Sozialstudiengänge umfasst hierbei unter anderem auch die empirische Forschung. Empirische Forschungsergebnisse, wie die Digitalisierung in der Medizin von Patienten aufgenommen wird, sind zur Zeit jedoch noch etwas rar. Grundsätzlich kann aber festgehalten werden, dass eine neue Technologie eher akzeptiert wird, wenn sie einen direkten Nutzen bringt. Als Beispiel: Social Media und smarte Technologien werden täglich genutzt, ohne eine Datenspeicherung oder -weiterverwendung zu hinterfragen. Im Bereich der Medizin scheint sich dies aber etwas differenzierter zu gestalten. Ethische und regulatorische Fragestellungen müssen berücksichtigt werden. Es ist daher notwendig Ethikkomissionen und Clearing-Stellen zu implementieren.

„Besteht die Gefahr, dass durch Suchmaschinen wie Symptoma, im speziellen Allgemeinmediziner gewissermaßen unnötig werden bzw. nicht mehr finanziert werden? Jeder Patient kann sich mit Symptoma seine Diagnose direkt erstellen lassen und basierend auf den Ergebnissen gleich einen Spezialisten konsultieren.“

Dr. Nateqi betont, dass Symptoma eine gewisse Anzahl von Diagnosen erstellt, sortiert nach der Wahrscheinlichkeit. Es bleibt also weiterhin die Aufgabe des Arztes, gewisse Diagnosen gleich von vornherein auszuschließen. Ein Arzt hat die Kompetenz zu bestimmen, ob gewisse Symptome noch normal oder bereits krankhaft sind. Selbst dann, wenn eine Maschine Diagnosen stellt, hat am Ende des Tages der Arzt die Verantwortung und muss eine Diagnose absegnen. Zudem hat der Arzt die Fachkompetenz, diese Diagnosen zu interpretieren und den entsprechenden weiteren Verlauf festzulegen.

„Verlernen Ärzte durch Symptoma selbstständig Symptome zu erkennen und Diagnosen zu stellen?“

Das Podium ist sich einig: Ganz im Gegenteil – durch neue Technologien können Ärzte ihr Wissen erweitern und werden in ihrem Arbeitsalltag unterstützt. Das bedeutet keinenfalls, dass sie dadurch nicht mehr in der Lage sind, selbst Diagnosen zu stellen! Die heutige Medizin ist auf dem besten Weg eine Hochleistungsmedizin zu werden, was dazu führt, dass beispielsweise durch neue Technologien bessere Behandlungsmöglichkeiten geboten werden als zuvor. Die Tools werden vielfältiger, aber damit auch die Skills der Ärzte. Für Ärzte ist die Unterstützung der Technologie auch eine Arbeitserleichterung und sie gewinnen wieder mehr Zeit für ihre Patienten.

„Welche Rolle spielt im Zusammenhang mit der  Medizin die künstliche Intelligenz (KI)? Wie wird diese Technologie von Ärzten angenommen?“

Durch die Einbindung von KI soll eine optimale Patientenversorgung unterstützt werden. Maschinen sind allerdings immer nur so gut, wie das Grundmaterial, das ihnen beigebracht wird. Es soll also eine Kombination aus dem Wissen der Ärzte (mit dem ein System gespeist und trainiert wird), aus Validierung, Überprüfung und der Endverantwortung der Ärzte sein. Schlüsse zu ziehen, das wird weiterhin den Ärzten überlassen bleiben.

Auch Sylvia Brandstätter hat sich kürzlich intensiv mit dem Thema künstliche Intelligenz in der onkologischen Versorgung auseinander gesetzt und hat dazu Gespräche mit zahlreichen Ärzten geführt. Ihrer Erfahrung nach war die Rückmeldung der Ärzte zur Einbindung künstlicher Intelligenz großteils positiver Natur. Man erwartet, dass KI kommt und dass es dadurch positives Einflusspotential gibt.

Eine wesentliche Fragestellung in Bezug auf KI bezieht sich aber nicht nur auf die Unterstützung bei der Stellung von Diagnosen oder auf die Verbesserung der Qualität der Diagnosen, vielmehr muss man sich auch die Frage stellen, ob ein Patient wirklich von einer Maschine erfahren möchte, dass er bspw. Krebs hat. Der Kommunikationsaspekt hierbei ist von hoher Bedeutung und in diesem Zusammenhang wird der Mensch immer eine wichtige Rolle spielen. Der Arzt hat die Fachkompetenz Diagnosen zu interpretieren und bildet dann auch die wesentliche Schnittstelle zum Patienten.

Fazit der Podiumsdiskussion – Ärzte UND Computer

Ist es wirklich möglich und sinnvoll, nach ENTWEDER – ODER zu fragen? Das Podium ist sich einig: Nein – es sollte viel eher Ärzte UND Computer heißen!

Die fortschreitende Digitalisierung wird auch den Bereich der Medizin zukünftig noch weiter radikal verändern. Trotzdem werden „Computer“, „Maschinen“ oder auch „künstliche Intelligenz“ den Arzt aus Fleisch und Blut nicht ersetzen können, sondern im Sinne einer besseren Diagnose- und Behandlungsqualität unterstützen. Dem zwischenmenschlichen Aspekt, dem Persönlichen, wird trotz technischer Unterstützung zukünftig nach wie vor eine große Bedeutung zukommen.